Zwischen Sternstraße und Knooper Weg hat sich in den letzten Jahren viel Neues getan – hier treffen sich Generationen. Es sind viele junge Leute und Familien, die hier im Viertel entlang des Jungfernstiegs leben. Ateliers, Cafés, Restaurants, ein Blumenladen, eine französische Bäckerei, kleine Boutiquen und Friseure prägen das bunte Stadtbild. Aber man sieht auch ältere Herrschaften, die zum nahegelegenen Schrevenpark oder auch zum Wochenmarkt auf dem Exerzierplatz spazieren. Dies könnten Bewohner des geschichtsträchtigen Kaiser Wilhelm I. Stifts sein, die hier in einzigartiger, zentraler Lage wohnen.
Generationen zusammenzubringen, diese Intention wurde von der GroneBildungszentrum SH GmbH in einem gemeinsamen Projekt mit der Goethe-Schule Kiel weitergedacht. Ein Jahr lang besuchen einmal wöchentlich kleine Gruppen von vier bis fünf Schülern der achten Klassen die Senioren im Kaiser-Wilhelm-Stift.
Sie führen Gespräche mit den Senioren, wie das Leben in deren Jugend so war oder lesen vor, wenn die Augen der älteren Herrschaften nicht mehr so richtig sehen wollen. Sie sehen, dass sie gutes tun und Freude bereiten, nur allein in dem sie den älteren Herrschaften einen Kaffee einschänken. Und so ganz nebenbei erleben viele der Jugendliche das Gefühl etwas zu können, gebraucht zu werden und ein wichtiges Glied in der Gemeinschaft zu sein. Kleine Erfolgserlebnisse, die im Schulalltag eher selten sind, aber wichtig für die weitere Entwicklung ihres Selbstwertgefühls. Das Projekt fördert Sozialkompetenz, Verantwortungsbewusstsein und die Fürsorge im Miteinander. Es baut Hemmschwellen und Vorurteile zwischen Jung und Alt ab und fördert den gegenseitigen Respekt. Am Ende dieses Praktikums erhält jeder der Jugendlichen ein Zertifikat – eine Urkunde, auf die sie stolz sein können und die in ihrer Bewerbungsmappe einen ebenso guten Eindruck macht.
Ein solches Praktikum hilft auch in der Berufsfindung. Nur selten entscheidet sich ein junger Mensch direkt für einen Beruf in der Altenpflege. Durch dieses Praktikum können Vorurteile gegenüber Ausbildungsberufen im pflegenden oder hauswirtschaftlichen Bereich abgebaut werden. Pflegekräfte werden immer gesucht. Jeder, der sich für diesen Beruf interessiert, ist im Kaiser Wilhelm I. Stift herzlich willkommen.
In unterschiedlichen Wohnformen finden ältere Menschen hier ein neues Zuhause. Das „Wohnen mit Service“ in komfortablen Zwei- und Dreizimmerwohnungen ist eine Option – in den individuellen Appartements kann ein „Rund um Service“ in Anspruch genommen werden. Die Wohnungen können ganz nach dem persönlichen Geschmack mit den eigenen Möbeln und lieb gewonnenen Erinnerungsstücken eingerichtet werden. Der Umfang der Betreuung kann je nach Bedarf durch den ambulanten Pflegedienst des Kaiser Wilhelm I. Stifts erweitert werden. Auch wohnen und leben hier Menschen, die eine pflegeintensive Betreuung benötigen. Die Philosophie des Kaiser Wilhelm I. Stifts ist es, jeden seiner Bewohner in die Gemeinschaft zu integrieren. Die Bewohner werden angehalten, zum gemeinsamen Essen oder zu Veranstaltungen zusammen zu kommen. Besonders beliebt ist „Pflegehund“ Emmi, die mit ihrem freundlichen Wesen nahezu jeden Bewohner zu Bewegung und Geselligkeit animiert.
Der älteste Bewohner ist Ernst Tode, der am 28. Juni 102 Jahre alt geworden ist.
Im Juli 1999 war er gemeinsam mit seiner Frau Irma in eine Wohnung des Kaiser Wilhelm I. Stifts gezogen. Nachdem seine Frau 2005 verstarb, blieb Ernst Tode bis 2013 allein in der gemeinsamen Wohnung. Seit einem schweren Unfall ist er auf einen Rollstuhl angewiesen und lebt heute auf der Pflegestation des Kaiser Wilhelm I. Stifts.
Anlässlich des 225-jährigen Bestehens der Stiftung Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde erhielt die Stiftung seitens der Förde Sparkasse Kiel 40 Bilder –ausgesuchte Fotografien des Kieler Fotografen Oliver Franke. Entstanden ist ein Spaziergang durch Schleswig-Holstein, der jetzt durch die Flure des Kaiser-Wilhelms-I. Stifts führt. Die Motive zeigen ausgewählte Sehenswürdigkeiten und Denkmäler, die eine heimatliche Stimmung verbreiten. Ein Rundgang durch die Flure und das Betrachten der Bilder lässt Gespräche entstehen, denn jeder kennt mindestens ein Motiv, das er mit einer persönlichen Geschichte verbindet.
Die Stiftung wurde 1793 von Prof. Niemann gegründet, einem engagierten Kieler Bürger, der es sich zur Aufgabe machte, Armut zu beseitigen, Kranke kostenlos zu betreuen, geregelten Schulunterricht anzubieten und den Sparsinn zu fördern. Oberstes Ziel war die Hilfe zur Selbsthilfe, um eine Veränderung der persönlichen und sozialen Verhältnisse der Betroffenen zu erreichen. Mit Hilfe der durch Mitgliedsbeiträge aufgebrachten Geldmittel wurde eine Freischule für arme Kinder, eine Sonntagsschule, eine Arbeitsanstalt (spätere Berufsschule), eine Warteschule für Kinder berufstätiger Mütter (späterer Kindergarten), drei Volksbibliotheken (später Stadtbücherei), eine Hauswirtschaftsschule für Frauen, die Volksküche, die Kieler Spar- und Leihkasse (später Förde Sparkasse Kiel) sowie 1890 schließlich auch das Kaiser Wilhelm I. Stift gegründet. Heute unterstützt die Stiftung Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde die Seniorenarbeit des Kaiser Wilhelm I. Stifts in Form eines Alten- und Pflegeheims, eines ambulanten Pflegedienstes und Servicewohnungen. Daneben bietet die Stiftung einmal wöchentlich unentgeltlich ein warmes Mittagessen für finanziell eingeschränkte Senioren an. Finanzielle Unterstützung gewährt die Stiftung in Einzelfällen unter anderem bedürftigen Senioren, unterstützt aber auch Mitarbeiter bei freiwilligen Weiterbildungen, Flüchtlinge durch Praktika und fördert besondere Projekte. Auch lebt die Stiftung von einem großen ehrenamtlichen Engagement des Stiftungsrates und vieler Helfer.
Die Stiftung Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde wird vertreten durch den Stiftungs-Vorstand Frau Kahlke-Lohnert. Der Stiftungsrat, bestehend aus Jan Christoph Kersig (Vorsitz), Peer Rüdel (1. Stellvertreter) und Götz Bormann (2. Stellvertreter), ist mit sehr großem Engagement ehrenamtlich für die Stiftung tätig..
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