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AutorenbildJO.

Apfelvielfalt - im Schwentinenklima gereift

Es liegt ein süßlich-fruchtiger Geruch in der Luft, als wir bei der Rastorfer Mühle in Schwentinental aus dem Auto steigen. Dort lebt und arbeitet Doris Schuster, in dritter Generation Inhaberin der Obstquelle, gemeinsam mit ihrer Familie. Wir lassen den ersten Eindruck des malerischen Hofes kurz auf uns wirken und sind verzaubert von der idyllischen Stille. Es ist unglaublich, dass dieser märchenhafte Ort nur rund 5 Minuten von der B76 entfernt liegt.

Auch auf der Apfelplantage kommen wir aus dem Träumen nicht mehr heraus. Doris führt uns über das sieben Hektar große Feld. „Hier wachsen zirka 100 verschiedene Apfelsorten!“ lässt Doris uns wissen. „Der Klimawandel hat sich in den letzten Jahren bemerkbar gemacht. Es lassen sich nun nach und nach auch Sorten anbauen, die sonst eher in den südlichen Regionen, wie zum Beispiel Tirol gepflanzt werden.“ fährt Doris fort.

Viel höher jedoch schlage ihr Herz für die alten Apfelsorten. Wir gehen durch das noch feuchte Gras und uns fällt auf: Nahezu keine Baumreihe gleicht der anderen. Viele, schon sehr alte Bäume, versucht Doris hier zu erhalten, „weil das tolle Sorten sind, teilweise viel geschmackvoller und eben auch ein echtes Kulturgut. Außerdem sind sie auch für Allergiker viel besser verträglich.“ so die Apfelexpertin.


Artenvielfalt durch Artenerhalt

„Zwischen den 50er und 70er-Jahren wurden in Deutschland zirka 80 Millionen DM als Rodungsprämie ausgegeben. Streuobstwiesen wurden dem Erdboden gleichgemacht und nahmen von 1,5 Millionen Hektar (1950) auf heute geschätzte 250.00 bis 300.00 Hektar (2022) ab.“ lässt uns Doris wissen. Heute kommen schätzungsweise 5.000 Arten deutschlandweit auf Streuobstwiesen vor. Und die gilt es zu erhalten. Deshalb arbeite sie auch sehr eng mit dem Pomologenverein und dem Akowia e.V. zusammen, den seinerzeit ihr Vater mitbegründete, und in dem Doris Schuster heute auch wieder im Vorstand tätig ist.


 

Eine Allergie gegen Äpfel ist nicht selten. Die Ursache für die Apfelallergie ist meist das Eiweiß-Allergen „Mal d1“, welches vom Körper als Fremdstoff identifiziert wird und Abwehrstoffe dagegen ausgeschüttet werden. Wie jede Allergie kann sich auch die gegen Äpfel langsam entwickeln und auch im Alter noch auftreten. Auf Apfelkuchen und -kompott müssen Allergiker in der Regel nicht verzichten, denn „Mal d1“ ist hitzelabil. Das heißt: durch das Erwärmen beim Kochen oder Backen der Äpfel wird die Eiweißstruktur derart verändert, dass sie nun vom Immunsystem toleriert wird. Und auch viele alte Sorten sind sehr gut verträglich. Der Grund dafür ist der höhere Anteil an Polyphenolen. Diese sekundären Pflanzenstoffe verbinden sich mit den allergieauslösenden Proteinen also den Eiweißen im Apfel und machen ihn so verträglicher. Ratsuchende dürfen gerne bei Doris Schuster, dem Akovia e.V. in Kollhorst oder dem Pomologenverein nachfragen. Hier erhalten sie die Antwort darauf, bei welchen Sorten sie als Allergiker wieder herzhaft zubeißen können.

 

Der Akowia e.V. setzt sich für den Erhalt altbewährter Obstsorten und den Natur- schutz in Kiel und Umgebung ein. Die Mitglieder erfahren durch Beratung und jährliche Veredelungskurse, wie sie ihre Lieblingssorten, beispielsweise aus „Omas Garten“, für die nächste Generationen bewahren können. Besonders am Herzen liegen dem Verein die seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten in Schleswig-Holstein und der Kieler Region altbewährten Sorten. Sie sind auf die Region begrenztes Kulturgut, das der Akowia e.V. erhalten möchte, bevor es ausstirbt. Daher ist es wichtig, Sortennamen zu dokumentieren. Durch Veredelungen von abgängigen Altbäumen und Neuanpflanzungen konnten bereits seltene norddeutsche Sorten gerettet werden. Leider sind einige altbewährte Obstsorten äußerst selten geworden. Der Akowia e.V. organisiert daher vermehrte Neuanpflanzungen um ihr Überleben zu sichern. Es ist entscheidend, die genetische Vielfalt und kulturelle Bedeutung dieser Sorten zu bewahren.

Ein Team von Mitarbeitenden von Akowia (Sven Graber), dem Grünflächenamt der Stadt Kiel und dem Pomologenverein (Michael Ruhnau) haben auf dem Schrebergartengelände, wo jetzt ein riesiger Möbelanbieter steht, vor den Baumaßnahmen die Obstbäume gesichtet. Dabei wurden vermeintlich unbekannte Sorten mitgenommen und bestimmt. Hier entdeckten die Fachkundigen eine, auch anderen Pomologen in Deutschland bisher nicht bekannte Sorte – die Kieler Renette. „Das war wichtig herauszufinden, weil Obstsorten sonst mit Mehrfachnamen belegt werden.“ erklärt uns Doris Schuster. „Auf dem Schrebergartengelände war wohl früher auch ein großer Obstgarten und vielleicht ist die Kieler Renette dort mal gezüchtet worden. Oder sie ist ein glücklicher Zufallsfund? Jetzt ist die Kieler Renette eine neue alte Kieler Lokalsorte und Sven Graber hat sie sozusagen gerettet...!“

Unsere Tour über das Anwesen geht weiter in Richtung Mosterei. Weil einige alte Sorten nicht so gut lagerfähig aber besonders geschmackvoll sind, verwendet Doris Schuster diese hier in der Weiterverarbeitung. „Wir stellen hier nicht nur Saft aus eigenem Obst her, sondern nehmen ab einer gewissen Menge auch das Obst von Privathaushalten an.“, erzählt uns Doris, „man rechnet etwa mit 5 Litern Saft pro 9 Kilogramm Obst“. Wenn man sein Obst zum Mosten zur Obstquelle bringen möchte, sei nur eine Sache wichtig: „Das Obst muss reif, sauber und frei von Laub und faulen Früchten sein.“ In sogenannten Bag in Box abgefüllt, ist der Saft dann 18 Monate lang haltbar.

Andere Kunden der Mosterei sind Kooperations- und Bezugspartner von Obst. So auch die Dolleruper Destille (auch Nordbauer Mitglied) und der Muxaller Cider, die aus eben diesen alten besonders geschmackvollen Sorten ihren Schnaps beziehungsweise ihren Wein produzieren.


Zum Abschluss stoßen wir natürlich noch mit einem Glas Apfel-Birnensaft an. In der Mosterei gibt es nämlich auch Mischsäfte. Wie auch den Apfel-Quittensaft – ein sehr beliebtes Getränk. Der Saft schmeckt sehr frisch, süß und intensiv nach dem Obst. Perfekt zum Anstoßen auf eine gute Ernte und einen wunderbaren, goldenen Herbst!


Auf eine gute Ernte und einen wunderbaren, goldenen Herbst!

Aus ihrem Tätigkeitsbereich heraus, ist auch die Zusammenarbeit mit dem in Flintbek ansässigen Unternehmen ‚Original LÖWE’ entstanden. „Wir vertreiben die Obstscheren auch hier in unserem Hofladen und verwenden sie natürlich auch selbst.“, erzählt Doris.


Inhaber der „Original LÖWE“-Scheren, die in diesem Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum feiern, und gleichzeitig der Enkel des Gründers, Randolph Schröder errichtete mit Hilfe von Doris Schuster und ihrem Team eine Streuobstwiese mit Apfel-, Birnen- und Kirschbäumen. Dadurch wurde ein toller neuer Lebensraum für viele Vogelarten, Insekten und Bienen geschaffen. Aber auch Kleinsäuger wie Fledermäuse sind in oft auf Streuobstwiesen zuhause. Bis zu 5.000 Organismen können in einem solchen Biotop leben.

Streuobstwiesen haben heute wieder an Bedeutung gewonnen, sowohl aus kultur- historischer Sicht als auch in Hinblick auf den Klima- und Naturschutz. Und dank der Arbeit von Menschen wie Doris Schuster schärfen wir unseren Blick für unsere Kultur und in Richtung Regionalität .

 

Obstquelle • Doris Schuster Rastorfer Mühle 3 • 24223 Schwentinental

Tel. 04307 – 294



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