Zweidrittel unserer schönen Erde ist von Ozeanen, Meeren und Seen bedeckt. Auch wir sind umgeben von der Nord- und Ostsee. Die vielfältigen und schützenswerten Lebensräume im Wasser sind für uns nicht sichtbar und vielleicht liegt es genau daran: immer noch gibt es Menschen, die den Wert der Artenvielfalt nicht erkennen und daher auch nichts dazu beitragen diese Biotope zu bewahren.
Wie es in den Tiefen der Ost- und Nordsee, aber auch im Mittelmeer und in der Südsee aussieht, dass zeigt das Kieler Aquarium GEOMAR seinen Besuchenden in 15 unterschiedlichen, sehr anschauungsvoll gestalteten Becken. Für kleine und große Wissensdurstige habe n wir einmal mehr das Aquarium GEOMAR besucht und laden auf diesen Seiten zu einem Rundgang ein.
Noch bevor man das Eingangsportaldes Aquariums GEOMAR Kiel entdeckt, präsentiert sich direkt an der Kiellinie das Freibecken mit einer freundlichen Gruppe von vier Seehunden. Die Meeressäuger lassen sich über und auch unter Wasser beobachten. Damit sich die Tiere ganznach ihren Bedürfnissen zu jeder Tageszeit vom Trubel an der Kiellinie zurückziehen können, dient der sogenannte Nachtstall, ein von der Öffentlichkeit nicht einsehbarer Bereich, als Rückzugsort.
Erst vor kurzem hat die kleine Bande einen neuen Mitbewohner mit Namen Findus bekommen. Sein „Vorgänger“ Kielius war schon sehr alt und nun ist der kleine Findus der „Mann im Haus“ zwischen den Seehund-Damen Krümel, Sally und Luna.
Besondere Aufmerksamkeit bekommen die Tiere bei ihren täglichen Fütterungen. Zur Freude des Publikums zeigt jedes Tier dabei sein eigenes kleines „Kunststück“.
Wer nun vermeintlich eine nicht artgerechte Dressur der Meeressäuger vermutet, den klärt Dr. Armin Form, Leiter der Aquariums GEOMAR, gerne auf. Denn neben der Fütterung, die eine ausgewogene Ernährung garantiert, dient diese Praxis zum einem dem sogenannten „medical training“. Das heißt, wenn der Tierarzt kommt und das gesundheitliche Befinden regelmäßig untersucht, lassen sich die Seehunde sich auch stressfrei berühren. Außerdem gehört diese Art der Routine auch zum „behavior enrichment“. Seehunde sind sehr verspielt und erleben bei der Ausübung ihrer „Kunststücke“ während der Fütterung gleichzeitig eine artgerechte unbekümmerte Beschäftigung.
250.000 Liter Ostseewasser, von dem 50.000 Liter stündlich durch frisches Ostseewasser direkt aus der Förde ersetzt werden, bieten eine optimale gesunde Lebensumgebung. Schautafeln informieren über die Lebensweise dieser Tiere.
„Ziel ist es“, beschreibt Armin Form, Leiter des Aquariums Kiel, „den Besuchenden vorrangig die heimische Meeres-Welt näherzubringen aber auch einen kleinen Teil tropischer Meeresbewohner zu zeigen. Das Leben im Wasser ist ja nicht augenscheinlich sichtbar, deshalb ist es unsere Aufgabe sie erlebbar zu machen. Und natürlich geht es um Wissenstransfer.“ Denn das Aquarium GEOMAR öffnet mit dem Schauaquarium auch ein „Schaufenster in die Forschung“. Es ist Teil des Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, das sich unter anderem mit aktuellen Themen wie dem Klimawandel oder mariner Ressourcennutzung beschäftigt.
Ganz neu sind auch die an jedem Becken angebrachten interaktiven Displays. Sie liefern ausführliche Informationen zu jedem Bewohner in den einzelnen Becken.
Unsere Entdeckungsreise innerhalb des Aquariums beginnt mit dem ersten Becken, das ein Biotop bis zu sieben Metern Wassertiefe präsentiert. Anschaulich wurde in das Wasserbecken ein kleiner Steg integriert. Hier wachsen die Seegraswiesen.
Dazwischen tummeln sich Butterfische und Stichlinge. Letztere sind übrigens die einzigen Fische, die Nester bauen. Wir erfahren, dass Seegraswiesen dichte Bestände in Küstennähe also im Niedrigwasser der Ostsee bilden und etwas mitbringen, das sie unter Wasser einzigartig macht. Sie blühen! Wer jetzt meint, seinen Liebsten mit einem Strauß Seegras eine Freude machen zu können, wird enttäuscht. Die Blüten sind winzig, grün und an der Unterseite der Blätter. Zudem duften sie nicht und blühen auch erst im Herbst, zu einer Zeit in der wir die Nähe zum Strand wieder seltener suchen als im Sommer. Seegraswiesen leisten einen wichtigen Beitrag für das Ökosystem, denn pro Quadratmeter produzieren sie jeden Tag bis zu 14 Liter Sauerstoff und binden ein Vielfaches an Kohlendioxid. Sie sind also die kleine Lunge des Meeres. Kleinste Fische und Meereslebewesen finden sich in einer derart nährstoffreichen Umgebung sehr wohl. Daher gelten die Seegraswiesen auch als die Kinderstuben der Meere.
Mit dem wohl größten Becken hier im Aquarium GEOMAR begeben wir uns in eine Wassertiefe bis zu 20 Metern. Die Ostsee ist ja nicht so tief wie die Nordsee. Wir sehen einen Heringsschwarm. Es ist immer wieder eindrucksvoll anzuschauen, wie der silbrige Schwarm seine Runden zieht. Heringe, so erfahren wir, sind äußerst schwer zu fangen. Wenn man sie beispielsweise mit einem Netz verletzt, verlieren sie ihre Schuppen, kriegen eine Entzündung und sterben. Daher sind sie nur mit Eimer oder Tüte zu fangen. Außerdem leben hier diverse Arten von Plattfischen, vornehmlich Klischen und Schollen.
Die Gestaltung des folgenden Beckens war Aufgabe der Auszubildenden. Die hier geschaffene „Molen-Umgebung“ dient unter anderem Klippenbarschen und Goldmaiden als Lebensraum.
Interessant sind auch die Manteltiere im nächsten felsigen Becken. Diese schlauchartigen Gebilde sind fast ausnahmslos Zwitter. Auch ungeschlechtliche Fortpflanzung ist möglich, die oft wie hier zur Bildung von Kolonien führt. Und wir erfahren, dass unsere Wirbelsäule den strukturalen Aufbau dieser Tiere hat.
Mit dem Becken sechs begeben wir uns in die Nordsee. Hier finden wir eine Felsenlandschaft ähnlich wie vor Helgoland. Seeigel, Seesterne (unser Auge fällt auf ein riesiges Exemplar schätzungsweise mit 50 Zentimetern Durchmesser.)
Nicht alle Tiere sieht man auf den ersten Blick. Man muss sich schon auch Zeit nehmen alle Lebewesen in einem Becken zu entdecken. Die giftigen Petermännchen tummeln sich am sandigen Boden. Petermännchen haben Stacheln mit schmerzhaftem Gift, das mit dem des Rotfeuerfisches verwandt ist. Sollten sie also auf diesen kleinen aber gefährlichen Burschen beim nächsten Baden stoßen, halten sie sich fern!
Im siebenten Becken entdecken wir eine tolle Flora, wie Blasentang und Zuckertang und prächtige Exemplare von Dorschen. Sein Fang wird in jedem Jahr aufgrund seines nur noch sehr geringen Bestands von der Regierung limitiert beziehungsweise verboten. Erstaunlicherweise können sich Fische, so auch der Dorsch, darauf einstellen. Sie entwickeln dann einen Zwergenwuchs und können dann auch schonbei geringer Größe vermehrungsfähig sein. Ein mächtiger Hummer bewohnt in einer großen Höhle ebenfalls dieses Becken – er ist vermutlich schon dreißig Jahre alt.
Im Becken acht treffen wir die Bewohner des Mittelmeeres: Den meisten Menschen von der Karte eines Restaurants als Speisefisch bekannte Goldbrasse oder Dorade, auch die gestreifte Meeräsche, die mittlerweile über Frankreich und das Wattenmeer zu uns gekommen und auch schon in der Ostsee beheimatet ist. Zwischen Segelbooten im Hafen sind diese Fische schon zahlreicher zu sehen.
Mit Becken neun und zehn begeben wir uns in tropische Gewässer zwischen Korallen, hier leben prachtvolle farbenfrohe Meeresbewohner und selbstgezüchtete Stein- und Weichkorallen.
Als letztes sehr großes präsentiert sichdie „halbhohe Nordsee“ mit dem Haifisch-Becken. Hier wohnen vornehmlich die Rochen und Katzenhaie. Katzenhaie liegen hauptsächlich am Grund des Meeres und machen keine großen Schwimmbewegungen. Weitere Hai-Arten werden im Aquarium Kiel nicht gehalten, weil es sehr schwierig ist, Gattungen mit ausgeprägtem Jagdtreib und großem Aktionsradius artgerechte Lebensbedingungen zu schaffen. Katzenhaie hingegen zählen zu den genügsameren und bequemeren ihrer Art, liegen am Boden, suchen nach Muscheln und anderem Essbaren und jagen auch nur am Meeresgrund. Die ebenfalls in diesem Becken lebenden Rochen begeistern durch ihre gleitenden Schwimmbewegungen, so als würden sie durch das Wasser fliegen. Die verspielten Tiere hier im Aquarium Kiel sind wahrlich prächtige Exemplare. Uns amüsiert ihre fast menschlich anmutende Unterseite des Körpers. Hier befindet sich ihr „Gesicht“, und sie scheinen uns anzulächeln, wenn sie die Scheibe des Beckens hinaufgleiten.
Rechts daneben, durch eine Glasscheibe von den Katzenhaien getrennt, sehen wir ein farben-prächtiges Becken, pink geprägt von See-Anemonen. Ein für unser empfinden recht großer Einsiedlerkrebs blinzelt gerade aus seinem Schneckenhaus. „Diese Tiere“, erklärt uns Armin Form, „betreiben formlich eine Tauschbörse mit anderen ihrer Art. Werden Sie zu groß für ihr altes Haus, so klopfen Sie bei einem ihrer Artgenossen an und beziehen so schon bald ein für ihre Größe passenderes Zuhause.“
Schön anzuschauen sind auch die kleinen runden Quallenbecken. Eine relativ neue Quallen-Art, die Rippenqualle, beeindruckt durch ihr schillerndes Dahinschweben. Winzige Härchen nehmen die Nahrung auf und lassen wie Mini-LED-Kettchen im Körper dieser Lebewesen aufsteigen. Das Becken nebenan leben Exemplare der uns wohl bekanntesten Art, die Ohrenquallen. Aber ihre Lebensdauer ist nur kurz, nur eine Saison, dann lösen sie sich auf.
Wir wollen aber auch einen Eindruck von der Arbeit hinter den Kulissen des Aquariums gewinnen. Denn von der Hinterseite jedes Beckens, das die Besucher*innen bestaunen, wird für das optimale Milieu der Bewohner gesorgt. Hier entdecken wir auch die Aufzuchtbecken mit Laich und den gerade geschlüpften Nachwuchs. Die Kleinen müssen noch etwas wachsen, bevor sie in die „Welt der Erwachsenen“ gelassen werden.
15 Schaubecken mit 500 bis 14.000 Litern sind an verschiedene Kreislaufsysteme für die Wasseraufbereitung angeschlossen. Allein im Nordsee- bzw. Ostseekreislauf zirkulieren insgesamt 30.000 bzw. 50.000 Liter Seewasser mit Temperaturen zwischen 10 und 15 C und Salzgehalten zwischen 1,3 bzw. 3,6 Prozent. Im Tropen- bzw. Mittelmeerkreislauf werden 7.000 und 12.000 Liter Wasser vorgehalten. Die tropischen Organismen werden bei 25 bis 27 C Wassertemperatur und einem Salzgehalt zwischen 3,0 und 3,5 Prozent gehalten. Die Wasserqualität wird regelmäßig im Labor kontrolliert.
Das alles bedeutet viel Technik und menschliche Arbeitskraft, um die Wasserqualität, die bestmögliche Versorgung durch Nahrung aber auch die Sauberkeit an den Scheiben und in den zahlreichen Becken zu gewährleisten. Und das schafft das Team um Armin Form, Leiter des Kieler Aquarium der GEOMAR, mit viel Freude und Engagement bei der Arbeit – für und mit Meereslebewesen.
Aquarium Geomar
Düsternbrooker Weg 20 • 24105 Kiel
Tel. 0431 – 6001637
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