ZU GAST BEI DER INHABERIN DER OBSTQUELLE DER OBSTQUELLE IN SCHWENTINENTAL
In kaum einem Obstkorb darf in den deutschen Haushalten eine bestimmte Sorte fehlen: der Apfel. Von Apfelschiffchen in der Frühstücksdose, Apfelkuchen zum Kaffee oder dem beliebten Durstlöscher Apfelsaftschorle – das Obst erfreut sich in allen Altersgruppen und zu jeder Tageszeit großer Beliebtheit und das Beste daran ist – neben dem gesundheitlichen Aspekt – vor allem das Thema Regionalität.
Die Reise zum Ursprung unserer Äpfel führt uns nicht in exotische Gefilde, sondern zur Rastorfer Mühle, nach Schwentinental. Denn dort lebt Familie Schuster. Gemeinsam mit Doris Schuster, der Inhaberin des Obsthofs, schlendert JO. an einem goldenen Tag im September über die noch von Morgentau benetzten Felder und taucht in eine Welt ein, rund um die Arbeit mit dem populären Obst.
Der Weg zur Obstquelle gleicht einer Reise in eine andere Zeit zu einem fernen Ort. Sobald man den Ortskern von Schwentinental verlässt, schlängelt sich die Straße durch einen Wald am Naturschutzgebiet und an einem einladenden Wanderweg vorbei. An manchen Stellen ist der Weg so schmal, dass man den kleinen Hang direkt zur Schwentine hinunter blicken kann. Kurz vor der Ankunft, kreuzt der Weg den Fluss mittels einer Brücke, auf der definitiv keine zwei Autos Platz finden würden. Noch eine Kurve über Kopfsteinpflaster an romantischen Häusern vorbei und schon ist man angekommen. Beim Öffnen der Autotür werden mehrere Sinne direkt geschärft, denn das Rauschen des Flusses ist noch lauter, als zunächst erwartet. Außerdem liegt ein süßlich-fruchtiger Geruch in der Luft. Wir lassen den ersten Eindruck des malerischen Hofes kurz auf uns wirken und sind verzaubert von der idyllischen Stille und allerlei Grün. Es ist unglaublich, dass dieser märchenhafte Ort nur rund 5 Minuten von der B76 entfernt liegt. Auch auf der Apfelplantage kommen wir aus dem Träumen nicht mehr heraus. Doris führt uns über das sieben Hektar große Feld. Aneinander gereiht, wie die Perlen an einer Kette, stehen unzählige Obstbäume über das Areal verteilt. „Nach dem Krieg war hier nur ein Acker, der über 25 Bomben abbekommen hatte. Die Löcher mussten zugeschüttet werden und dann hat mein Großvater schließlich mit dem Ackerbau angefangen.“, erzählt Doris. Wir gehen weiter durch das noch feuchte Gras. Uns fällt auf: In nahezu jeder Baumreihe stehen andere Sorten. Viele, schon sehr alte Bäume versucht Doris noch zu erhalten, „weil das tolle Sorten sind, die auch für Allergiker leichter verträglich sind.“, so die Apfelexpertin. „Wie zum Beispiel der weiße Winterglockenapfel. Die Sorte ist sehr gut lagerfähig und eher säuerlich. Er zeichnet sich durch ein helles Fruchtfleisch aus und ist mittlerweile eine Rarität. Es ist eine Spätsorte, fest und geschmacklich nicht so kommerziell.“ Sie zeigt einen perfekten Apfel mit roten Pausbäckchen. „Die rote Färbung ist eigentlich nicht typisch. Die kommt durch Temperaturschwankungen und die vielen trockenen Sommertage, die wir hatten. Dafür wird er aber im Geschmack auch süßer.“ erklärt Doris lächelnd und führt uns weiter durch die Plantage. Man hört an diesem Morgen nicht viel außer unserer Schritte im hohen Gras und einem Trecker in der Ferne, der am Rand des Ackers schon mit der Ernte begonnen hat. Die Schönheit der Natur ist beeindruckend! In diesem Augenblick ist man als Stadtmensch gefühlt meilenweit entfernt von Büro, Stress oder Stadtlärm.
„Der Klimawandel hat sich in den letzten 3-4 Jahren bemerkbar gemacht. Es lassen sich nun nach und nach auch Sorten anbauen, die sonst eher in den südlichen Regionen, wie zum Beispiel Tirol, gepflanzt werden.“, fährt Doris fort. Manche Bäume müssten dafür leider weichen, weil sie für das neue Klima nicht gemacht seien. Etwa in der Mitte der Plantage bleiben wir stehen und die Inhaberin beginnt ihre angebauten Sorten zu zeigen. „Dort stehen Finkenwerder Herbstprinz und Ontario.“, sagte sie und richtet ihren Blick in Richtung des Standorts. „Ontario ist eigentlich nur für die Verarbeitung gedacht, den findet man sonst kaum noch. Aber aus ihm kann man richtig leckeren, sortenreinen Apfelsaft machen. Der ist bei unseren Kunden sehr beliebt.“, teilt Doris ihr Wissen.
"Der Klimawandel hat sich bemerkbar gemacht. Es lassen sich nun auch Sorten aus dem Süden anbauen, andere müssen dafür leider weichen“
„Da hinten wurden letztes Jahr neue Bäume von Holsteiner Cox und Cox Orange gepflanzt. Die Apfelsorte Cox Orange wird immer mehr nachgefragt.“ Daher werden Supermärkte in der Umgebung, wie Famila und Edeka, von Doris mit dem festen, süßen Apfel beliefert. „Kamijn de Sommerville haben wir gerade abgeerntet. Der ist ähnlich wie der Cox, aber anders fruchtig und der Name kommt aus Belgien.“ Wir richten unseren Blick zu einem Block aus Bäumen, an denen die Früchte noch etwas kleiner sind. „Das ist Braeburn, der wird später geerntet und wächst noch. Wir haben grünen und roten Braeburn. Davor stehen noch Rubinette und Santana.“ Östlich der Plantage ist eine von Wald eingesäumte Schräge. „Der Hang ist bepflanzt mit sechs Reihen Elise, darunter Frühsorten und obendrüber noch mal Holsteiner Cox.“, zeigt Doris auf. Wenn die Obstbäuerin so durch ihre Felder schreitet, dann durchströmt sie ab und zu dieses kleine, wohlige Gefühl vom Angekommen sein. Denn obwohl sie den Hof ganz klassisch als Tochter vom Vater übernommen hat, sah es viele Jahre so aus, als ob sie einen anderen Weg einschlagen würde: Statt Treckern und Obstscheren, bestimmten vielmehr Nähmaschinen und Stoffe ihren Alltag. „Nach der Schule wollte ich raus und zog nach Hamburg. Ich begann an einer anthroposophischen Kunsthochschule zuerst ein Studium. Aber das war nicht das Richtige.“
Stattdessen ging sie ans Thalia Theater und machte dort eine Kostüm-Hospitanz. Sie fand Gefallen an dem Bereich und so folgte die Schneiderlehre am Kampnagel. Daraus entwickelten sich dann verschiedene, spannende Jobs beim Film und Theater. „Das Letzte war ein Kinofilm, bei dem ich mitgewirkt habe.“, erinnert sich Doris. „Doch dann lief es zu dieser Zeit Zuhause nicht so rund, weil die Nachfolge des Betriebs unklar war. Außerdem war die Arbeit beim Film schlecht planbar.“ Und so fand die Frohnatur durch Umwege wieder zurück zu ihren Wurzeln. „Es wäre einfach auch zu schade gewesen, wenn niemand den Betrieb fortgeführt hätte.“, gibt sie zu und lässt ihren Blick über das Feld schweifen.
2007 öffnete sich dann also wieder das Tor in Richtung Obstquelle für Doris, als sie eine Obstbaulehre im Alten Land anfing. „Drei Jahre lang dauerte die Ausbildung, für die ich zuerst ein Jahr in Holland war und danach zwei Jahre am ‚Esteburg Obstbauzentrum’ in Jork. Die sind dort die Experten für ganz Norddeutschland was Beratung, Anbau, Lagerung und Pflanzenschutz im Obstbau angeht. Außerdem konnte man da auch Erfahrungen im Praxisbetrieb sammeln.“, so Doris. 2011 machte sie sich mit Obstbaumschnitt selbstständig. Unter anderem pflegte sie währenddessen Streuobstwiesen im Süden Hamburgs, war aber auch in Kiel im öffentlichen und ebenfalls im privaten Raum tätig. 2015 übernahm sie die Leitung des Familienunternehmens dann komplett. Dass Doris all das als Dreifachmutter unter einen Hut bekommt, hat sie dem Team rund um das Familienunternehmen zu verdanken. „Das schafft man nur gemeinsam, wenn alle mit anpacken.“
Unsere Tour über das Anwesen geht weiter in Richtung Mosterei. „Wir stellen hier nicht nur Saft aus eigenem Obst her.“, sagt Doris laut, um das Motorengeräusch der Maschine zu übertönen. Ab einer gewissen Menge können hier auch Privathaushalte ihr Obst zu Saft verarbeiten lassen. „Man rechnet etwa mit 5 Litern Saft pro 9 Kilogramm Obst.“, erklärt sie. Wenn man sein Obst zum Mosten zur Obstquelle bringen möchte, sei nur eine Sache wichtig: „Das Obst muss reif, sauber und frei von Laub und faulen Früchten sein.“ Denn nur gute Ausgangsprodukte liefern auch einen guten Saft. In sogenannten Bag in Box abgefüllt, ist dieser dann 18 Monate lang haltbar. Zum Abschluss stoßen wir natürlich noch mit einem Glas Apfel- Birnensaft an. In der Mosterei gibt es nämlich auch Mischsäfte. Wie auch den Apfel-Quittensaft – ein besonderes, bei Feinschmeckern sehr beliebtes, Getränk. Da die Quitten zum Zeitpunkt unse- res Besuchs noch unreif mit ihrem so typischen Pelz überzogen an den Bäumen hängen, ist der diesjährige Quittensaft noch nicht so weit. Aber auch die Mischung mit Birne ist ein Geschmackserlebnis. Der Saft schmeckt sehr frisch, süß und intensiv nach dem Obst. Perfekt zum Anstoßen auf eine gute Ernte und einen wunderbaren, goldenen Herbst!
Wenn es um die Bestimmung alter Sorten geht, dann hat Doris noch einen Tipp für Privathaushalte: „Der Pomologen-Verein ist eine tolle Adresse, wenn man Unterstützung braucht oder einfach mehr zu alten Obstsorten erfahren möchte.“ Es sei wichtig, dass nicht nur die Vielfalt, sondern auch das Wissen weitergegeben werden würden. „Heutzutage steigt zwar wieder der Trend zum eigenen kleinen Garten, aber das Wissen über Anbau und Pflege ist in den letzten Generationen nicht zuverlässig weitergeben worden. Manche unterschätzen auch den Aufwand, aber da helfe ich dann gerne weiter.“, so die Expertin.
Neben der Arbeit auf dem Hof, unterstützt Doris auch private Kleingärtner wie auch Unternehmen in der Obstbaumbestandsanalyse von Obstgärten und gibt hier wertvolle Ratschläge. Auch wenn es um die komplette Neuanlage eines Obstbaumbestands geht, steht Doris gerne mit ihren Fachkenntnissen zur Seite. Aus diesem Tätigkeitsbereich heraus, ist vor Kurzem die Zusammenarbeit mit dem seit August letzten Jahres in Flintbek ansässigen Unternehmen ‚Original LÖWE’ entstanden. „Wir vertreiben die Obstscheren auch hier in unserem Hofladen.“, erzählt Doris. „Aktuell unterstütze ich den Geschäfts- führer Randolph Schröder in der Kultivierung einer betriebseigenen Apfel- plantage und Rebstöcken – eine Streuobstwiese auf dem Firmen-Gelände ist ebenfalls in Planung.
Obstquelle – Obsthof, Hofladen, Mosterei Doris Schuster Rastorfer Mühle 3 • 24223 Schwentinental Tel. 04307 – 294 • www.obstquelle.de
Comments