DER FOTOGRAF FRANK MOLTER DOKUMENTIERT SEIT MÄRZ DEN AUSNAHMEZUSTAND
Als Frank Molter im Februar 2020 in Melbourne Zeuge wird, wie ein Restaurant schließen muss, weil ein Mann aus China andere Gäste mit einem Virus angesteckt haben soll, denkt sich der Kieler nichts Großes bei dieser Szenerie. Zwei Wochen später sieht die Welt ganz anders aus. Das Virus – namens SARS-CoV-2 – aus dem australischen Schnell- Imbiss ist in Europa angekommen. Und selbst das Leben im beschaulichen Schleswig-Holstein wird plötzlich auf den Kopf gestellt. Auch das von Frank Molter...
Angetrieben von dem Gefühl, Zeitzeuge von etwas noch nie Dagewesenem zu sein, schießt Molter am 15. März 2020 um 12:46 Uhr das erste Pandemie-Foto seines Lebens. Seitdem befindet sich der freiberufliche Fotograf auf einer persönliche Zeitreise. Mit dem Blick auf den neuen Alltag im Ausnahmezustand zwischen Nord- und Ostsee summieren sich in Molters Archiv bis heute Hunderte von Motiven – eingefroren als Logbuch pandemischer Momente im Norden der Republik.
Der Beginn seines Projektes kam für Frank Molter reflexartig. „Während des Frühlings- Lockdowns brachen plötzlich so viele Aufträge weg. Aber nichts tun und jammern, das ist nicht mein Ding. Und da lag ja ganz offensichtlich ein Thema auf der Straße, was aus meiner Sicht dokumentiert werden musste“, sagt der 47-jährige Soloselbständige im Rückblick. In Corona freien Jahren normalerweise als Unternehmens-, Reportage und Agenturfotograf gebucht, nutzte Molter seine Zeit, um „ein persönliches und authentisches Zeitdokument zu erstellen“. Ungeschönt. Kurz um: „Zeigen, was ist“, erklärt der Fotograf.
Mal auf eigene Faust nach eingehender Recherche unterwegs, mal im Auftrag für die Nachrichtenagentur dpa erlebt Molter mit seiner Kamera skurrile Situationen. „Ge- spenstisch war es, als ich am Strand von St. Peter-Ording knapp eine Stunde lang keine Menschenseele getroffen habe. Und das bei bestem Wetter“, erzählt Molter. Er trifft auf seinen Reisen einen Pastor bei einem Open-Air-Gottesdienst, besucht ein wegen der Grenzschließung getrenntes Senioren-Liebespaar an der dänischen Grenze oder beobachtet Menschen in einer Kneipe, die sich wegen der Plexiglasscheiben nicht mehr sehen können. Währenddessen überschlagen sich die Ereignisse in einem Tempo, das vielen Menschen Angst macht.
Schulen und Sportstätten werden geschlossen. Das Land Schleswig-Holstein ist für Touristen dicht. Personen in Alten- und Pflegeheimen dürfen ihre Angehörigen nicht mehr sehen. Trotz der spürbaren Verunsicherung und den Einschränkungen beobachtet Molter, wie das Leben – wie immer – in kleinen Schritten weiter geht. Nur eben anders.
„Ich frage mich auch heute noch, was die Pandemie mit uns macht. Wie verändern ‘Social Distancing‘ und Ausgehverbote unsere sozialen Kontakte und das Miteinander?“
Corona hat sich auf alle Bereiche des Lebens ausgewirkt und ist für viele Berufsgruppen, einschließlich Fotografen, zu einer Reihe von Prüfungen und Schwierigkeiten geworden. Der Frage, was aus Künstlern und anderen Soloselbständigen wird, wenn Veranstaltungen abgesagt werden müssen oder unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, geht Molter in einer Portraitserie nach. In kurzen Texten kommen direkt Betroffene aus den unterschiedlichsten Bereichen zu Wort. Der Kieler Fotograf hatte geplant, Ende 2020 erste Arbeiten aus seinem Projekt in einer Gemeinschaftsausstellung zu zeigen. Der Winter-Lockdown durchkreuzte alle Pläne. Nun plant Molter, sein „Logbuch pandemischer Momente“ Anfang 2021 im Rahmen einer Einzelausstellung zu zeigen. Außerdem wird ein Bildband zu diesem Thema erscheinen. Finanzieren kann der Kieler einen Teil seines Projektes mit Hilfe der Förderung durch den Landeskulturverband Schleswig-Holstein (Kulturhilfe). Außerdem wurde der Finanzdienstleiter TGI aus Schwentinental auf das Projekt aufmerksam und unterstützte es spontan mit 500 Euro.
„Selbst mit einer Ausstellung und einem Bildband wird mein Projekt noch nicht abgeschlossen sein. Niemand kann vorher- sehen, was noch alles passieren und wie lange uns Corona noch beschäftigen wird“, sagt Molter. Seine Motivation ist auf jeden Fall ungebrochen: „Es gibt noch so viele Geschichten zu erzählen“. Zum Beispiel die, ob die „alte“ Normalität jemals zurückkeh- ren wird? Und was das überhaupt bedeutet.
instagram: frank_molter_fotografie
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