Impressionistische Malerei in und um Kiel um 1900 steht im Fokus der neuen Ausstellung im Stadtmuseum Warleberger Hof, Dänische Straße 19. Präsentiert wird sie unter dem Titel „Malerei in Kiel um 1900 unter dem Einfluss des Impressionismus“ vom 27. September 2020 bis 7. März 2021
Vorbild für die Kieler Malerei um die Jahrhundertwende war der französische Impressionismus. Die Malerei in Kiel entwickelte sich aber in einer regionalen Ausprägung weiter. Das Museum hat für die Schau 60 Werke verschiedener Künstler*nnen aus der eigenen Sammlung und aus den Beständen der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek zusammengestellt. Kuratiert wurde die Ausstellung von der Kunsthistorikerin und Sammlungsleiterin Katrin Seiler-Kroll sowie von Museumsdirektorin Dr. Doris Tillmann.
Kieler Malerei unter dem Einfluss des Impressionismus In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts revolutionierte die französische Kunstrichtung des Impressionismus die akademische Malerei Europas mit dem Ziel, die Atmosphäre eines Bildmotivs in der Unmittelbarkeit eines zufälligen Augenblicks einzufangen. Direkt in der Natur unter dem Licht des freien Himmels und ohne aufwendige Skizzen und Atelierarbeit brachten die Künstler*innen ihre Bilder sofort auf die Leinwand. Auch viele norddeutsche Maler*innen, die noch der naturalistischen Malweise verbunden waren, waren von der neuen Kunstrichtung fasziniert. Sie fuhren nach Paris, um sich dort ausbilden zu lassen und die Werke Claude Monets kennenzulernen. Dazu zählten auch die Kieler Maler Hans Olde, Fritz Stoltenberg oder Friedrich Mißfeldt. Vor allem Hans Olde, der 1892 nach Schleswig-Holstein zurückkam, führte hier die neuartige Plein-Air-Malerei (Freilichtmalerei) ein, die sich bald in einer regio- nalen Ausprägung weiterentwickelte. 1894 gründete er gemeinsam mit dem Malerkollegen Georg Burmester die Schleswig-Holsteinische Kunstgenossenschaft, um eine eigenständige norddeutsche Freilichtmalerei zu etablieren. Diese war auf den heimatlichen Gegenstands- und Motivbereich ausgerichtet. Burmester, der sich bereits in Italien und Skandinavien mit Landschafts- und Lichtstudien befasst hatte, betrieb in Kiel zusammen mit dem Marine- und Landschaftsmaler Fritz Stoltenberg eine Malschule, aus der etliche impressionistische Werke von Lehrern, Gästen und Schüler*innen hervorgegangen waren. Nach dem Ersten Weltkrieg blieben viele von ihnen dieser Stilrichtung treu.
Motivwahl im Blick des Impressionismus Das Meer und der Strand mit ihren besonderen Lichtverhältnissen waren die wohl wichtigsten Motive der impressionistischen Plein-Air-Malerei. Die Flüchtigkeit der Lichtreflexe auf dem Wasser und die Bewegtheit des Meeres, aber auch seine Transparenz und seine Düsternis stellten die Maler*innen vor künstlerische Herausforderungen. Daneben reizte die Maler*innen aber auch die urbane Welt mit ihrer bunten Geschäftigkeit: Die rasant wachsenden Städte waren im ausgehenden 19. Jahrhundert die Zentren technischen Fortschritts und des kulturellen Lebens. Sie wurden zum Inbegriff der Moderne. Dabei versuchten die Maler*innen, die flüchtigen Momente des Großstadtalltags fest- zuhalten: den dichten Straßenverkehr, vorbeieilende Menschen, die Stimmung in Cafés, Bars und Restaurants, aber auch Gebäude und Plätze im Sonnenlicht ebenso wie das Glitzern regennasser Straßen.
Der Impressionismus beeinflusste auch die Industrie- und Marinemalerei, die seit dem ausgehenden 18. Jahrhunderts ein Sujet der bildenden Kunst war. Auch hier galt es, Momentaufnahmen der Arbeitswelt einzufangen, wie das Feuer der Hochöfen vor dem verschatteten Blick in düstere Werkshallen und vor Anker liegende Kriegsschiffe im Kieler Hafen. Es war eine künstlerische Herausforderung, bei der es darum ging, das sich ändernde Verhältnis von Mensch und Technik beziehungsweise Natur zu erfassen. Die Marinemalerei im Kaiserreich war oftmals propagandistisch ausgerichtet und fand wenig Anerkennung in der akademischen Kunstszene. Hinzu kam, dass der marinebegeisterte Kaiser die modernen Tendenzen der impressionistischen Malerei aus Frankreich ablehnte und dessen wichtigsten deutschen Protagonisten Max Liebermann schmähte. So widmeten sich auch die Kieler Vertreter des Impressionismus wie Hans Olde und Georg Burmester nur sehr selten den Marinemotiven im hiesigen Hafen, sondern malten eher Fischerboote und Handelsschiffe. Lediglich Fritz Stoltenberg, Sohn eines Kieler Kapitäns, führte die Bezeichnung Landschafts- und Marinemaler auf seiner Visitenkarte.
Daneben gehörten Landschaften und Alltagszenen des Landlebens seit den ersten Anfängen der Künstlergruppe „Schule von Barbizon“ in den 1860er Jahren zu den wichtigsten Sujets impressionistischer Freilichtmalerei. Gegenüber früheren Genredarstellungen begegneten die Künstler*innen der oft harten ländlichen Arbeitswelt mit unverstelltem Blick und einer gewissen Sozialkritik.
Als die Kunstrichtung gut dreißig Jahre später auch in Schleswig-Holstein An- hänger*innen fand, ging es in der hiesigen Landschaftsmalerei vor allem um das Hervorheben besonders regionaltypischer Motive wie Wald- und Seelandschaften, Wiesen und Kornfelder im Sonnenlicht, Dörfer und reetgedeckte Gehöfte oder das Arbeitsleben in der Landwirtschaft und Fischerei – an der Kieler Förde speziell der als traditionell geltenden Ellerbeker. Die Werke zeigten oftmals romantisierte Szenerien. Die Idyllisierung des Landlebens entsprach einer antimodernistischen Tendenz, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg weit verbreitet war. Zu diesem Zeitpunkt aber war der Impressionismus in der Malerei und der Kunstszene fest etabliert. Die künstlerische Avantgarde wandte sich bereits der neuen Stilrichtung des Expressionismus zu, die ihr Lebensgefühl stärker zum Ausdruck brachte. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten weitere moderne Strömungen wie die Neue Sachlichkeit oder zunehmend abstrahierende Richtungen wie der Konstruktivismus und der Kubismus.
Bis in die Gegenwart hat die impressionistische Malerei ihre Anhänger*innen, so zum Beispiel bei der Gruppe der „Norddeutschen Realisten“, die mit ihrer Freilichtmalerei an den Küsten Schleswig-Holsteins auch die Intention einer regional gebundenen Kunst verfolgten.
Das Veranstaltungsangebot zur Ausstellung ist derzeit beschränkt auf öffentliche Sonntagsführungen jeweils von 15.30 bis 16.30 Uhr mit vorheriger Anmeldung unter 0431 – 901-3425. Weitere Gruppenführung sind auf Anfra- ge möglich. Führungen für Schulklassen auf Anfrage unter 0431 – 901-3488.
Öffnungszeiten: Dienstags bis Sonntags 10 bis 18 Uhr Eintritt frei Stadtmuseum Warleberger Hof Dänische Straße 19 • 24103 Kiel
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